„Mein nächstes Auto fährt mit Wasserstoff“

2022-06-03 19:11:23 By : Mr. meituo zhi

Ein Pfaffenhofener Fachingenieur ist davon überzeugt: E-Autos mit Akkus sind Übergangs-Technologie

Präzise: Guido Sutter mit Mess- und Regelgeräten, die unter anderem den Sauerstoffgehalt des Wassers für Elektrolyse-Anlagen kontrollieren. Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen – Guido Sutter, um es ganz deutlich zu sagen, ist kein Spinner. Als solche werden gern jene abgestempelt, die sich für Wasserstoff als klimaneutrale Technologie der Zukunft begeistern. Seit über 30 Jahre wird das Thema diskutiert und regelmäßig abgebügelt: zu teuer, zu uneffektiv, zu aufwendig. Das hat sich mit den explodierenden Energiepreisen drastisch geändert. Wasserstoff ist konkurrenzfähig geworden. Vor allem aber: Er macht unabhängig von russischen Energieimporten. „2030“, ist Sutter überzeugt, „sind wir weg vom Erdgas.“ Er muss es wissen. Der 59-Jährige hat Elektrotechnik und BWL studiert, war über 30 Jahre bei großen Industrieunternehmen in Führungspositionen beschäftigt und hat sich vor sechs Jahren mit seiner Firma „TIBS Solutions GmbH“ selbstständig gemacht. Mit der vertreibt er Systeme für die Mess- und Regeltechnik, die auch bei der Herstellung von Wasserstoff zum Einsatz kommen. Er berät Maschinenbaugiganten wie Siemens oder Krauss-Maffei in der Prozess-Analysetechnik. Das klingt ziemlich kompliziert, vor allem auch deshalb, weil der Endverbraucher mit dem, was Sutter vertreibt, nicht in Berührung kommt. Anfassen kann er nur das, was dank der Geräte hergestellt wird. Am besten erklären lässt sich das an einem Armaturenbrett fürs Auto. Das wird aus Kunststoff in Spritzguss- und Reaktionsmaschinen-Technik hergestellt. Dazu vermischt eine Reaktionsmaschine verschiedene flüssige Materialen und schäumt sie in eine Form. Nach drei Minuten ist das Armaturenbrett fertig. Damit es fehlerfrei die Maschine verlässt, haben zuvor Sutters MSR-Geräte (Mess- und Regeltechnik) den Vorgang geregelt. Sensoren haben den Prozessdruck im Mischkopf gemessen, damit es zur optimalen Schaumbildung kommt. Andernfalls weist das Armaturenbrett Blasen und Einschlüsse auf. Weitere Sensoren überwachen die richtige Menge der Materialien und die Temperatur. Die Mess- und Regelgeräte kommen von verschiedenen Herstellern aus Deutschland, Italien und Kalifornien. Aber anstatt mit mehreren Lieferanten zu verhandeln, halten sich die Maschinenbauer nur an einen einzigen: Guido Sutter. Er kooperiert mit Herstellern, bündelt deren Geräte in seinem Portfolio und ist damit Fachmann für die komplette MSR-Technik im Bereich der Elektrolyse/Wasserstoff. Mit dieser Leistung, sagt Sutter, sei er deutschlandweit der einzige Anbieter. Was jetzt richtig Fahrt aufnimmt, sind Elektrolyse-Anlagen, in denen Wasserstoff hergestellt wird. Ganz vereinfacht erklärt: Wenn Wasser unter Strom gesetzt wird, entsteht Wasserstoff, ein Gas, das auch verflüssigt, gasförmig unter Hochdruck gespeichert und transportiert werden kann. Auch dazu braucht es eine bestimmte Mess- und Regeltechnik, die Druck, Temperatur, Feuchte, Sauerstoffgehalt, die Wasserqualität und deren elektrische Leitfähigkeit überwacht. Die Vorteile dieser Energieform: Sie ist, wie auch die bei E-Autos, emissionsfrei. Was aus dem Auspuff kommt, ist Wasserdampf. Sutter: „Es ist die reinste Möglichkeit, Motoren anzutreiben.“ Vor allem: Bei der Elektromobilität entstehe durch die Herstellung der Batterien soviel Treibhausgase, dass die Klimabilanz eines Stromers gegenüber einem Dieselfahrzeug erst nach etwa 30 Jahren ausgeglichen sei. Außerdem hat der E-Antrieb mit dem Gewicht der Akkus seine Grenzen, weshalb schon jetzt große Container-Schiffe mit Wasserstoff fahren. Auch schwere Lkw sind inzwischen mit diesem Antrieb unterwegs. Für die Stahl- und die chemische Industrie, die auf Gas angewiesen sind, ist Wasserstoff die Energie der Zukunft. Thyssenkrupp will so in 20 Jahren klimaneutral sein. Schon vor über 30 Jahren gab es Pläne, Wasserstoff in großem Stil ins Energiesystem und in die Mobilität einzubinden. Grund war die Erkenntnis, dass fossile Brennstoffe endlich sind. „Aber dann entdeckte die Ölindustrie neue Reserven“, sagt Sutter, „und das Thema wurde wieder begraben.“ Inzwischen sieht die Situation ganz anders aus, und das nicht erst seit Putins Drohung mit einem Gas-Embargo. Die Hamburger Verkehrsbetriebe wollen in den kommenden drei Jahren 50 Wasserstoffbusse auf die Straße bringen, auch die Autoindustrie hat das Thema neu entdeckt, Toyota bietet den wasserstoffangetrieben Mirai an, Hyundai den Nexo, BMW will zum Jahresende mit einem SUV, dem iX5 Hydrogen, nachziehen. Auf den Zug aufgesprungen ist vor gut einem Jahr auch die Bayerische Staatsregierung. Mit inzwischen 266 Partnern hat sie das „Wasserstoffbündnis Bayern“ gegründet, dem sich auch Guido Sutter mit seiner Firma TIBS Solutions GmbH angeschlossen hat. Der Freistaat will bis 2040 klimaneutral sein. „Ohne den Einsatz von Wasserstoff in allen Sektoren ist dieses Ziel nicht zu erreichen“, heißt es in dem Positionspapier. Einen ambitionierten Fahrplan gibt’s auch schon. 2050 sollen in Bayern zwei Millionen Pkw mit dieser Technik auf die Straße kommen, 70 Prozent aller Busse und Lkw mit Wasserstoff angetrieben werden und 2000 Tankstellen aufgebaut worden sein. Die beste Nachricht für den Verbraucher: Der Preis für den Wasserstoff wird drastisch sinken. Derzeit hält er sich, bezogen auf 100 Kilometer Fahrstrecke, mit Benzin die Waage. Fachleute rechnen damit, dass er schon 2030 um die Hälfte sinken wird. Was daran liegt, dass mehr produziert wird. Für Guido Sutter ist diese grüne Energie ein Alleskönner. Mit Solarpaneelen auf dem Dach, einer Elektrolyse-Anlage und einer Speichertherme im Keller – Gesamtkosten etwa 100000 Euro – ist man energetisch grün und autark. Und: Es gibt keine Folgekosten.